Im November 2019 ist der 25. Sonnenaktivitätszyklus gestartet, dies nach einer aussergewöhnlich langen inaktiven Phase, in der uns die Sonne während vieler Tage völlig fleckenfrei erschien. Jetzt aber erreicht der Zyklus seinen Höhepunkt. Entgegen der Prognose dürfte er ähnlich stark ausfallen wie der Vorgängerzyklus.
Seit der Erfindung und Nutzung des Fernrohrs für astronomische Zwecke im frühen 17. Jahrhundert werden die Sonnenflecken beobachtet und auch aufgezeichnet. Eine systematische Zählung gibt es allerdings erst seit 1849, initiiert durch den Zürcher Astronom Rudolf Wolf, der im genannten Jahr eine Methode zur Zählung und Erfassung der Sonnenflecken entwickelte (Wolf’sche Relativzahl).
Die ersten nachweislich datierten Sichtungen von Sonnenflecken gehen ins 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. Zurück (Theophrastos v. Ereso). Auch aus China gibt es Aufzeichnungen. Damals konnte man sich diese dunklen Gebiete nicht erklären. Es kursierten zahlreiche Vorstellungen, etwa von Planeten, die vor der Sonne durchzogen, von «dunklen Löchern», «schwimmender Schlacken» oder kühleren Stellen. Auch mit den ersten Fernrohren konnte das Rätsel der Sonnenflecken vorderhand nicht erklärt werden. Immerhin formulierte Galileo Galilei die richtige Vermutung, dass die dunklen Stellen Strukturen der Sonnenoberfläche sein müssten und nicht irgendwelche Objekte, die vor der Sonne durchschwebten.
Von Thomas Harriot, einem englischen Naturphilosophen und Astronom, stammt eine der wohl ersten Aufzeichnungen eines Sonnenflecks (1610). Unabhängig voneinander, entdeckten in jener Zeit Astronomen die Sonnenflecken, so auch Johann Fabricius. Erste Langzeitbeobachtungen wurden schliesslich von Galilei und Christoph Scheiner durchgeführt. Letzterer baute einen Projektionsschirm, an dem er im Turm der Heilig-Kreuz-Kirche in Ingolstadt seine Sonnenbeobachtungen durchführen konnte. Er bemerkte, wie die Sonnenflecken zum solaren Äquator hin schneller wanderten als jene in den höheren heliografischen Breiten. Da er fest davon überzeugt war, bei der Sonne handle es sich um einen «reinen» Körper mit fester Oberfläche, glaubte er im Unterschied zu Galilei nicht an ein Phänomen auf der Sonne selbst.
Maunder-Minimum: Ein äusserst fleckenloses halbes Jahrhundert
In der Zeit von 1645 bis 1715 zeigte sich die Sonne über weite Strecken fleckenarm. Beobachtungen gab es damals nur noch sporadisch. Unsere Sonne durchlief eine ausserordentlich inaktive Phase, die als Maunder-Minimum in die Geschichte einging. Der englische Astronom Edward Walter Maunder (1851 – 1928), der am Royal Greenwich Observatory tätig war und sich mit dem Sonnenmagnetismus beschäftigte, fotografierte und vermass die Sonnenflecken. Er soll angeblich das von Friederich Wilhelm Gustav Spörer beschriebene Gesetz, nachdem ein neuer Sonnenzyklus nach rund 11 Jahren in den hohen heliografischen Breiten einsetzt und sich die Flecken im Laufe des Zyklus zunehmend in Richtung Sonnenäquator verlagern, beobachtet haben. Die Gesetzmässigkeit der Wanderschaft der Sonnenflecken hat Richard Christopher Carrington um das Jahr 1861 entdeckt und beschrieben. Maunder wurde durch die Arbeiten Spörers motiviert, denn dieser hatte bereits zwischen 1400 und 1510 eine, später nach ihm benannte «Schwächephase» der Sonne (Spörer-Minimum) ausgemacht.
Interessanterweise fiel die fleckenlose Phase zwischen 1645 bis 1715 mit einer kühlen Epoche der Kleinen Eiszeit zusammen, die vor allem auf der nördlichen Erdhalbkugel ausgeprägt war, allerdings schon vor Beginn des Maunder-Minimums einsetzte. Inwiefern diese Kaltphase auch einer inaktiven Sonne geschuldet ist, wird noch heute diskutiert. Auch andere Faktoren, wie Vulkanausbrüche sowie Änderungen der Erdumlaufbahn um die Sonne können die Phase der Kleinen Eiszeit verstärkt haben. Gesichert ist, dass es in jenen Jahrzehnten von Nordamerika über Europa bis nach Asien zahlreiche extrem kalte Winter gab!
Rudolf Wolf konnte dank tausender Aufzeichnungen aus dem Zeitraum vom 17. bis 19. Jahrhundert die Entwicklung der Sonnenflecken bis in die Zeit von Galilei zurück rekonstruieren. Dabei fiel ihm ab 1749 das von Samuel Heinrich Schwabe beschriebene regelmässige Auf- und Ab der Sonnenfleckenhäufigkeit mit einer Periode von rund 11 Jahren auf. Wolf nummerierte die Sonnenzyklen, beginnend mit dem nullten Zyklus im Jahr 1749. Alle Zyklen davor tragen negative Zahlen.
Was geschieht auf der Sonne alle rund 11, respektive 22 Jahre?
Der bekannte 11-Jahres-Sonnenzyklus wird auch «Schwabe-Zyklus» genannt. Die Ursache liegt in der Umpolung des solaren Magnetfeldes. Alle 11 Jahre sind die magnetischen Pole vertauscht, und nach 22 Jahren wird wieder der magnetische Ursprungszustand erreicht. Seit Langem rätseln die Wissenschaftler, was sich unter der «Sonnenoberfläche» wirklich abspielt und was hinter dem Zyklus genau steckt. Die Schicht aus heissem Plasma (elektrisch leitendes Gas) reicht bis in eine Tiefe von 200'000 km. In dieser «Kugelschale» ist das Plasma im wörtlichen Sinne am Kochen und ständig in Bewegung. Wir nennen diese Zone auch Konvektionszone, wo heisse Gase aufsteigen und «kühlere» absinken. Unlängst haben Forscher herausgefunden, dass es sich um eine einfache Strömungsgeometrie handelt; es findet eine Art Umwälzung des Plasmas alle 22 Jahre (Hale-Zyklus) statt. Die in Richtung Äquator verlaufende Strömung lässt daher Sonnenflecken während eines ganzen Zyklus stets näher an den Äquator heranrücken (Beobachtungen von Spörer).
Da wir es bei der Sonne mit einer Plasmakugel zu tun haben, ist die magnetische Situation etwas komplexer als bei der Erde. In der Äquatorregion rotiert die Sonne schneller (in 25 Tagen) als in den höheren heliografischen Breiten (30 Tage); wir haben es mit einer differenziellen Rotation zu tun. So werden die Süd-Nord verlaufenden Magnetfeldlinien im Laufe eines Zyklus richtiggehend auseinandergezogen und verwickelt. Das einst bipolare Feld wird regelrecht verzerrt. Plötzlich beginnen einzelne Feldlinien die Sonnenoberfläche auch in mittleren heliografischen Breiten zu «durchbrechen» und stören dabei den Energietransport (Wärmetransport) aus dem Sonneninnern. Es entstehen lokale Bögen und deren Aus- und Eintrittspunkt entstehen Sonnenflecken, rund 4'000 °C bis 5'500 °C «kühlere» Gebiete, die weniger Licht abstrahlen als die unmittelbare Umgebung und in deren Umfeld es zu Ausbrüchen kommt. Sonnenflecken treten zumeist paarweise auf. Der vorauslaufende Fleck liegt dem Äquator näher und hat die aktuelle Polarität der Hemisphäre, in dem er sich befindet. In Zeiten des solaren Maximums, in dem wir uns derzeit befinden, kommt es in den Feldbögen immer wieder zu «Kurzschlüssen», was das Magnetfeld unvermittelt zusammenbrechen lässt und Plasma in Form eines koronalen Massenauswurfs freisetzt.
Nach einem solaren Maximum, wenn die Umpolung erfolgt ist, stabilisiert sich das Magnetfeld; die Sonne tritt in eine ruhigere Phase ein (solares Minimum), ehe der beschriebene Vorgang von Neuem beginnt.
Der 25. Zyklus – und was ist in den nächsten Jahrzehnten zu erwarten?
Obwohl der 25. Sonnenfleckenzyklus vor einigen Jahren tiefer als der 24. prognostiziert und sein Maximum zwischen November 2024 und März 2026 vorhergesagt wurde, scheint sich dies alles nicht ganz zu bewahrheiten. Auch die Anzahl Sonnenflecken zwischen 140 und 170 wird deutlich höher ausfallen als der Höchstwert des 24. Zyklus (119), und das Maximum erwarten die Astronomen nun zwischen Januar und Oktober 2024. Dass die einstige Prognose nicht eintreffen wird, hat sich schon eine ganze Weile abgezeichnet. Bereits ab Ende 2020 lagen die Sonnenflecken konstant über den Prognosen und seit dem Herbst 2021 war die Zahl der Sonnenflecken sogar immer über dem Toleranzbereich der vorhergesagten Werte.
Was uns die nächsten Jahrzehnte erwarten wird, ist spekulativ. Jedoch gibt es Forschungsarbeiten, denen zufolge die Sonne zwischen 2020 und bis ca. 2055 in eine inaktive Phase übergehen könnte. Jedenfalls sind der 24. und auch der 25. Zyklus deutlich niedriger als die Zyklen davor. Ob allerdings ein analoges Phänomen wie das Maunder-Minimum eintritt, können wir vorderhand nicht vorhersagen. Dies wird sich zeigen.
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