Die Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien e.V. (GDP) will die Bildungsarbeit von Planetarien sichtbarer machen: Jetzt wurde die Wissensvermittlung in Planetarien in das Landesinventar des Immateriellen Kulturerbes in Nordrhein-Westfalen aufgenommen und ist Kandidat für das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Im astronomischen Fachportal ORION ordnet Marc Horat ein, welche Bedeutung diese Entwicklung für die Schweizer Planetarien hat.
ORION: Das Planetarium als Institution feiert einen runden Geburtstag. Die GDP will nun Planetarien in ein Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufnehmen. Welche Bedeutung hätte dies für die Planetarien in der Schweiz?
Marc Horat Planetarien sind einzigartige Orte. Was als reine Simulation des nächtlichen Sternenhimmels begann, entwickelte sich in den vergangenen 100 Jahren zum multimedialen Erlebnisraum, der viel mehr zu bieten hat als «nur» Sterne und Planeten. Inzwischen können wir das ganze Spektrum der Wissenschaften unter Kuppel behandeln und unserem Publikum zugänglich machen – ein Trend, der sich weltweit beobachten lässt. An keinem anderen Ort kann man die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Kunst und Unterhaltung dermassen eindrucksvoll erleben. Insofern ist diese Initiative, das Objekt «Planetarium» zu einem kulturellen Erbe der Menschheit zu erklären vollkommen richtig. Die Entwicklung zum eigentlichen «Wissenschaftstheater», in dem aber auch die Kultur z. B. in der Form von Konzerten ihren Platz hat, ist in vollem Gange. Das grösste Planetarium der Schweiz gestaltet diese Entwicklung aktiv mit und spielt weltweit eine führende Rolle in der Etablierung von neuen Formaten. Eine Erklärung zum Weltkulturerbe gäbe den Planetarien heute sicherlich das Rampenlicht, das sie verdienen und würde ihre wichtige Rolle als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit würdigen.
ORION: Im Auftrag von Carl Zeiss Jena entwickelte der Physiker Walther Bauersfeld 1919 den ersten modernen Planetariumsprojektor. Inzwischen hat sich hinsichtlich der Projektoren sehr viel getan. Kannst du uns einen kurzen Einblick in die Evolution der Projektionstechnik geben?
Horat Die klassischen Sternprojektoren aus Jena waren absolute Wunderwerke der Technik. Nie zuvor gelang es der Menschheit, die Geschehnisse am Firmament auf diese Weise darzustellen und zu simulieren. Über den Grossteil der vergangenen 100 Jahre waren diese Geräte nicht aus den Kuppeln wegzudenken. Auch in Luzern leistete der Zeiss-Projektor (Modell Vs) 45 Jahre lang treue Dienste. Seit Anfang der 2000er-Jahre geht die technologische Entwicklung rasant voran: Wo man früher enorm aufwendig mit zahllosen Dia-Projektoren kuppelfüllende Bilder erzeugen musste, hielt nun Videotechnologie Einzug. Luzern gehörte hier zu den zehn ersten Installationen weltweit, die kuppelfüllende Bewegtbilder zeigen konnten. Aber dies war erst der Anfang. Daneben entwickelten sich immer ausgeklügeltere, digitale Echtzeit-Rendersysteme, welche es im Gegensatz zum reinen Nachthimmel von der Erde aus erlaubten, auch die dritte Dimension des Raumes zu erkunden und aktuelle Forschungsergebnisse zu visualisieren. Die Rechner wurden schneller, die Projektoren immer besser und so entschied man sich in Luzern 2013 komplett auf die digitale Technologie zu setzen: Der Sternenprojektor wurde in den verdienten Ruhestand geschickt und ein modernes Echtzeit-Rendersystem mit 5 Hochleistungsprojektoren installiert – eine Entscheidung, die ich persönlich bislang keine einzige Sekunde bereut habe. Damit können wir mit unserem Publikum nun interaktiv jede Ecke des Universums erkunden. Rein konzeptionell ist man damit aber wieder bei der Ursprungsidee von vor 100 Jahren: Man kann mit einem einzigen Gerät unsere natürliche Umgebung und die Geschehnisse dort zeigen. In den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts war dies der simulierte Sternenhimmel und heute nun das komplette simulierte Universum aus dem Computer.
Der nächste Entwicklungsschritt steht nun kurz bevor: Im Herbst wird ein neues Projektionssystem in Luzern installiert werden, basierend auf kontrastreichen und hellen Laser-Projektoren. Dazu gibt es eine neue Lichtanlage und ein immersives 3D-Audio-System. Aber auch bereits der nächste grosse Quantensprung in der Entwicklung der Planetarien ist absehbar: Es werden nun erstmal LED-Kuppeln installiert, womit dann die Transformation von einer Projektionstechnologie hin zu einem aktiven Giant Dome Screen abgeschlossen sein wird.
ORION: Der Besuch des Planetariums im Verkehrshaus Luzern ist und war immer ein Muss! Eure Vorführungen sind aber weit mehr als pure Unterhaltung. Wie definierst du das von Euch Gebotene?
Horat Ein Planetarium ist definiert durch ein immersives Erlebnis. Dies bedeutet, dass man die Bilder nicht nur passiv konsumiert, sondern durch die Kuppelform auch Teil der Szenerie ist – man taucht buchstäblich darin ein. Dies ist ein sehr mächtiges Werkzeug, denn mit dieser Verbindung schaffen wir es, auf einfache Art und Weise Fachwissen mit Emotionen zu verbinden. Studien haben gezeigt, dass diese Form der Erlebnis-Vermittlung wesentlich nachhaltiger ist und sich die Besucherinnen und Besucher besser an Sachinhalte erinnern können. Zum einen sind wir daher im absolut im Bereich Edutainement angesiedelt. Wir zeigen aber auch kulturelle Inhalte, die mit dieser Immersion aktiv spielen und ein Gesamterlebnis zwischen Visuals und Audio bieten – etwas, dass man sonst nirgends in dieser Form erleben kann. Mit der technologischen Weiterentwicklung gilt es nun auch, neue Felder zu erschliessen und neue Erlebnisse zu ermöglichen – hier muss man kreativ und innovativ bleiben, um unseren Besucherinnen und Besuchern auch weiterhin eine einmalige Kombination zwischen Spitzentechnologie, Unterhaltung und Wissensvermittlung bieten zu können.
ORION: Astronomie an unseren Schulen ist noch immer nicht fix im Lehrplan verankert. Gibt es in dieser Hinsicht seitens der Planetarien Bestrebungen, in absehbarer Zeit Vorstösse dazu zu machen?
Horat Mit dem Lehrplan 21 gewann die Astronomie gerade in der Unterstufe wieder an Bedeutung. Das sehen wir in Luzern auch an den rasant steigenden Zahlen an Schulbesuchen. Nirgends kann man diesen Fachbereich so nachhaltig vermitteln wie in einem Planetarium als ausserschulischen Lernort. Daher bin ich persönlich sehr zuversichtlich, dass auch künftig viele Schülerinnen und Schüler den Weg zu uns unter die Kuppeln finden werden.
ORION: Wie individuell gestaltet Ihr Planetariumsvorführungen für Schulen? Sind da Wünsche seitens der Lehrpersonen möglich oder habt ihr spezielle Programme, die, angepasst auf die Alterstufen, abgespielt werden?
Horat Wir haben ein grosses Portfolio an Inhalten, die für Schulen interessant sind. Das geht von thematisch passenden Filmen bis hin zu komplett interaktiven Live-Shows, wo man ad-hoc auf die Bedürfnisse und die Zusammensetzung des Publikums eingehen kann. Letzteres wird ermöglicht durch die Echtzeit-Fähigkeiten unserer Computer-Anlage – quasi ein 3D Simulator des bekannten Universums und fähiges Personal, welches das Gesehene live kommentiert. Damit können wir auch tagesaktuelle Inhalte zeigen, so konnten wir beispielsweise bereits 1 Stunde nach Bekanntgabe des ersten Bildes von Sag A*, dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstrasse, dorthin fliegen und uns das Bild «vor Ort» ansehen. Insofern steht unseren Besucherinnen und Besuchern das ganze Universum offen und wir versuchen, möglichst jeden Wunsch zu erfüllen und mit möglichst massgeschneiderten Shows einmalige Erlebnisse unter der Kuppel zu ermöglichen.
Quelle: Baer, Thomas (2022): Interview mit Marc Horat, Leiter des Planetariums Luzern, Orion Online Portal.
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