Die frühe Elektrifizierung der Bahnen anfangs des 20. Jahrhunderts waren wichtig für die Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft. Dank einer umfassenden Sammlung von Glasplattennegativen im Dokumentationszentrum hat der Historiker Kilian Elsasser ein spannendes Zeitdokument verfasst.
Text Claudia Hermann
1888 nahm das erste elektrische Schienenverkehrsfahrzeug in der Schweiz im Regelbetrieb seinen Betrieb auf. Es transportierte die Touristen von Vevey über Montreux zum Schloss Chillon. Auf der offenen Dachplattform liess sich die Aussicht über den Lac Léman ohne Gestank und Rauch geniessen. Seit 1913 fuhr die BLS mit dem von der schweizerischen Studienkommission favorisierten Einphasenwechselstrom mit 15000 Volt und 16 2/3 Hertz. Im gleichen Jahr sprach die SBB den Kredit für die Elektrifizierung der Strecke Erstfeld – Bellinzona. Bald jährt sich auch das 100-Jahr-Jubiläum die Eröffnung der ersten elektrifizierten Gotthardstrecken mit den neuen Güterzugslokomotiven: Göschenen – Airolo am 13. September und Erstfeld – Biasca am 12. Dezember 1920. Massgeblich beteiligt an der Elektrifizierung der Bahn in der Schweiz waren die beiden elektrotechnischen Firmen MFO und BBC.
Fotoausrüstung wiegt 35 Kilogramm
Ein wichtiger Bestand der Bild-Dokumentation zu den elektrischen Bahnfahrzeugen lagert in Form von Glasplattennegativen im Verkehrshaus der Schweiz. Darunter gehören die bedeutenden Sammlungen der ehemaligen Badener Fabrik Brown Boveri & Cie. (BBC) mit 1750 Stück und der Zürcher Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) mit 1930 Stück. Alle diese Zeugen der Schweizer Elektroindustrie haben das Format 18x24 cm.
Die Aufnahmen sind Zeugnisse von Werkfotografen, wie sie früher in jeder grossen Schweizer Firma angestellt waren. Für die Aufnahmen mussten die Fotografen körperlich anstrengende Reisen, sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland, in Kauf nehmen. Denn die gesamte Foto- und Beleuchtungsausrüstung wog bis Ende der 1950er-Jahre zwischen 30 und 35 Kilogramm, inklusive der 18x24-Zentimeter-Holzkamera mit Stativ und Behältern. Dazu kamen die Bildträger aus Glas, was die Ausrüstung noch schwerer machte.
Wissenschaftliches Vorgehen
Die Fotos sind nüchtern-sachlich gehalten und zeigen eine wissenschaftliche Seriosität und Solidität. Sie sind einheitlich scharf, besitzen ausgeglichene Tonwerte und wahren die Proportionen. Die Fotografen beanspruchten ein wissenschaftlich-methodisches Vorgehen, um die technologische Entwicklung einer Lokomotive oder überhaupt der neuen elektrischen Fahrzeuge zu zeigen. So machten die MFO-Fotografen um 1904 über hundert Aufnahmen von den neu entwickelten Einphasen-Wechselstrom-Lokomotiven auf der Teststrecke Seebach-Wettingen und dokumentierten akribisch die verschiedenen Stellungen der Stromabnehmer.
Bildhafte Firmenkultur
Die Werkfotografen waren Teil eines ganzen Vermarktungsprozesses innerhalb der Firma. Sie versahen ihre Aufnahmen mit einer kurzen inhaltlichen Beschreibung. Die Glasnegative wurden in Hüllen eingepackt, worauf die Nummer, das Aufnahmedatum und das Bildthema vermerkt waren. Zum schnellen Auffinden sind auf den Couverts Blaupausen aufgeklebt. Die Negative dienten zur Herstellung von Fotoabzügen, dabei wurden oft die Hintergründe von Fahrzeugen oder Einzelteilen retuschiert oder freigestellt. Sowohl MFO wie BBC dokumentierten mit ihren Werkfotos ihre Produkte – vom Einzelfahrzeug bis zum präzisen Detail – und hielten mit ihren bebilderten Bulletins den Kontakt zu ihren Kunden aufrecht. Die Bilder gaben den Unternehmen ein Gesicht nach aussen und wurden Teil der Firmenkultur.
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